UGT1A1-Genotypisierung

Gilbert-Meulengracht Syndrom und Toxititätsrisiko bei CPT-11 (Irinotecan)-Behandlung

Klinische Relevanz

Das Gilbert-Meulengracht Syndrom äußert sich als erbliche Störung des Bilirubin-stoffwechsels in der Leber ohne zugrundeliegende Lebererkrankung und tritt meist als vorübergehender, leichter Sklerenikterus (gelbliche Verfärbung der Lederhaut der Augen) in Erscheinung. Diesem Syndrom liegt in der Regel ein Promotor-Polymorphismus in der TATA-Box im UGT1A1-Gen (UDP-Glucuronyl-transferase, Allel *28) zugrunde.

Das Enzym UDP-Glucuronyltransferase (UGT1A1) ist ferner entscheidend am Abbau von Irinotecan (Topoisomerase-I-Inhibitor) beteiligt. Durch Glucuronidierung wird der aktive Metabolit von Irinotecan SN38 in das inaktive SN38G-Molekül überführt und kann so hepatobilibär bzw. renal ausgeschieden werden. Das UGT1A1*6 und *28-Allel führen zu einer herabgesetzten UGT1A1-Enzymaktivität. Dadurch findet der Detoxifikationsprozess nur noch eingeschränkt statt. Insbesondere Patienten, die durch Homozygotie oder kombinierte Heterozygotie des UGT1A1*6 und *28-Allels langsame UGT1A1-Metabolisierer sind, haben ein erhöhtes Risiko unter hohen Dosen von Irinotecan schwere Nebenwirkungen wie Myelosuppression und schlecht behandelbarer Diarrhoe zu entwickeln.

Rote-Hand-Brief des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von Dezember 2021 zu irinotecanhaltigen Arzneimitteln:

  • Eine UGT1A1-Genotypisierung kann hilfreich sein, um Patienten mit einem erhöhten Risiko für schwere Neutropenien und Durchfälle zu identifizieren.
  • Patienten, die langsame UGT1A1-Metabolisierer sind (z.B. homozygot für UGT1A1*28- oder *6-Varianten, wie beim Gilbert-Syndrom), haben nach einer Behandlung mit Irinotecan ein erhöhtes Risiko für schwere Neutropenie und Durchfall. Dieses Risiko steigt mit der Dosis von Irinotecan.
  • Eine geringere Irinotecan-Anfangsdosis sollte bei Patienten mit verringerter UGT1A1- Aktivität in Betracht gezogen werden. Dies gilt insbesondere für Patienten, denen Dosen von über 180 mg/m² verabreicht werden, oder die geschwächt sind.
  • Bei guter Verträglichkeit können nachfolgende Dosen erhöht werden.
  • Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Irinotecan-Toxizität mit der Untersuchung nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, da weitere Faktoren Einfluss auf die Verträglichkeit der Medikation haben können

Weitere Informationen und aktuelle Dosisempfehlungen finden sich in den verschiedenen Leitlinien zur Therapie mit Irinotecan (siehe Literatur) und in der PharmGKB Datenbank. (*DPWG: Dutch Pharmaco-genetics Working Group)

Indikation

  • Verdacht auf Gilbert-Meulengracht Syndrom
  • CPT-11 (Irinotecan) Chemotherapie; vor der Behandlung

Präanalytik

2 ml EDTA-Blut in handelsüblichen Blutabnahmeröhrchen; Transport ungekühlt auf normalem Postweg. Einverständnis des Patienten zwingend erforderlich.